/// Kommentar /// – Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller und Finanzsenator Matthias Kollatz sind auf der Suche nach Lösungsstrategien, um der überbordenden Immobilienspekulation in Berlin zu begegnen. Die von Müller in der FAZ erwogene Idee, den Immobilienkauf von Ausländern einzuschränken ( Julia Lohr | 27.8.2018 | FAZ ), ist jedoch völlig abwegig, und widerspricht dem Grundlagenvertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, und auch eigenen Parteiprogrammen. Müllers Idee wurde auch sogleich im Tagesspiegel-Kommentar in der Luft zerrissen: „Legal, Illegal, Irrational“ ( Lorenz Maroldt | 27.8.2018 | Tagesspiegel ).
Müller offenbart mit seinem ideologisch vorgeprägten Vorstoß seine eigene Unfähigkeit, das geltende Recht und die geltenden Normen im sensiblen Sektor Grundstücks- und Immobilienmarkt mittels konsequenten Regierungshandeln durchzusetzen.
Rund 100 Millarden € werden nach Schätzungen des Bundesfinanzministeriums jährlich in Deutschland im Rahmen von Geldwäsche-Transaktionen und „Fluchtgeld-Transaktionen“ verwendet und wechseln den „Besitzer“ durch Kauf von Immobilien, Sachanlagen und Anteilen. Dazu kommen milliardenschwere Geldanlagen in Immobilien, die durch „quasi-Staatsgarantien“ zum sicheren Geschäft werden, weil man im Einzelfall Grunderwerbssteuern sparen kann (Share-Deals), oder einfach den Börsenkurs durch Vernachlässigung von Instandhaltungs- und Betreiberpflichten zu Lasten von Mietern steigern kann (Deutsche Wohnen).
Im Verbund mit ENEV-Sanierung und KfW-Krediten bekommen Investoren dazu bei Modernisierung eine fast risikofreie Lizenz zum Geldabschöpfen, bei Mietern, die vom Kunden zum „Zinsbürger“ mutieren, der beim Essen und Lebensunterhalt sparen muss.
Mehr Aufsicht, Ordnung, Transparenz und Verantwortung im Immobilienmarkt
Wenn Politik, Mieter, aber Steuerbürger darüber ratlos werden, wie der folgenreichen Boden- und Immobilienspekulation in Berlin begegnet werden kann, muss zuerst an die Mindestvoraussetzungen gedacht werden: die gültigen Regeln und Instrumente und Gesetze zu Grundstücksgechäften müssen eingehalten und stringente überwacht werden. Weder Urlaub noch Krankheitsausfall dürfen dabei Überwachungslücken entstehen lassen.
Mit Priorität sind die Bestimmungen des Geldwäschegesetzes:(GwG) und dazu die umfassenden Empfehlungen der Bundesnotarkammer zu Grundstücksgeschäften umzusetzen.
Was muss zusätzlich getan werden?
1. Grundstücksverkäufer sollten durch die Bürgerämter über ihre Sorgfaltspflichten beim Immobilienverkauf informiert werden, und eine Information über Bestimmungen zum Schutz vor Geldwäsche erhalten. Dies ist besonders bei älteren und betagten Eigentümern durch Beratung zu unterstützen, denn die Eigentümer werden systematisch durch Datenabfragen ausfindig gemacht und durch „Vertriebe“ bearbeitet.
2. Um Notaren die Ermessensfreiheit zu sichern, sollte der Staat bei jedem Fall der Versagung der Amtstätigkeit ein AUSFALLHONORAR zahlen, um den Notar von Entscheidungen „unter wirtschaftlichen Druck“ zu entlasten. Das sich eine „Versagung der Amtstätigkeit“ in der Szene schnell herumspricht, müssen Notare durch amtliche Register von wirtschaftlichen Risiken entlastet werden.
3. Jedes Grundstücksgeschäft muss nach städtebaulichen und wohnungswirtschaftlichen Aspekten unter „Vorkaufsrechts-Vorbehalt“ der Kommune gestellt werden (können), notfalls durch Eintragung einer zweit- oder drittrangigen öffentlichen Grundschuld.
4. Eine Notariats-Task-Force sollte jedes Grundstücksgeschäft VOR Vertragsschluß kontrollieren. Dazu sollten alle Rechtsgeschäfte mit Immobilien voranmeldepflichtig werden. Die Einrichtung eines „digitalen Immobilienmarktes“ mit offenen, beschränkten und begrenzbaren Ausschreibungen sollte voran gebracht werden.
5. Jeder Immobilienmakler muss künftig Vertragsunterlagen in Kopie einem Immobilien-Register auf Dauerverwahrung übergeben. 5 Jahre Aufbewahrungspflicht bei Immobilienmakler in Geschäftsunterlagen ind zu wenig. Bei seriellen Eigentümerwechsel wird dem Mißbrauch Tür & Tor geöffnet. Der Ketten-Verkauf von Immobilien muss durch Fristenlösungen gestoppt werden.
6. Grundsteuerpflicht, Übernachtungssteuerpflicht, Kommunalabgabenpflicht, verbindliche Bankverbindung, Bestellung des Hauptwasseranschluß und Hauptstromanschluß müssen durch haftende Geschäftsführer oder Eigentümer verantwortet werden. Gleiches gilt für Beauftragte für Anlagensicherheit (z.B. Fahrstühle), Brandschutz, Abfall (Schlüssel-Nummer). Verantwortlichen Personen müssen und Geschäftsführer müssen dafür mit entsprechender Haftpflichtversicherung ausgestattet sein und einen EU-Wohnsitz nachweisen.
7. Zuverlässigkeit der Geschäftsführung nach §34 Gewerbeordnung muss beim Erwerb vermieteter Objekte nachgewiesen werden.
8. Share-Deals sollten bis zu einer bundeseinheitlichen Regelung durch Verwaltungsvorschriften und Rechtsverordnungen und durch besonderes Städtebaurecht (§§ 172 ff BauGB) erschwert werden. So können städtebauliche Verträge, Los- und Grundstücksgrößen, Nutzungsänderungen und Veränderungssperren gegen die Interessen von verbundenen Erwerbern eingesetzt werden.
Klar ist: verbundene Erwerber mit Share-Deal-Absichten, verschaffen sich beim Erwerb einen unlauteren Wettbewerbsvorteil gegenüber Einzelerwerbern. Hier müsste eigentlich das Bundeskartellamt kartellrechtlich einschreiten, und auf die Grundlagen des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union abheben (AEUV-Vertrag).
Neuregulierung der Grundsteuer
Die Regelungen des Bewertungsgesetzes zur Einheitsbewertung von Grundvermögen in den „alten“ Bundesländern sind seit dem Beginn des Jahres 2002 mit dem allgemeinen Gleichheitssatz unvereinbar. Art. 3 Abs. 1 GG lässt dem Gesetzgeber bei der Ausgestaltung von Bewertungsvorschriften für die steuerliche Bemessungsgrundlage einen weiten Spielraum, verlangt aber ein in der Relation der Wirtschaftsgüter zueinander realitätsgerechtes Bewertungssystem.
Die Möglichkeit, die Grundsteuer auf Mieter abzuwälzen, muss künftig in Städten und Gemeinden mit angespannten und spekulativen Wohnungsmarkt eingeschränkt werden. Hauptgrund: Immobilien gehören zu unternehmerischen Geschäften, bei denen bei entsprechender Kapitalstärke praktisch kein unternehmerisches Risiko mehr besteht. Zudem sichert der Staat über die Grundsicherung und Wohngeld und Abschreibungsmöglichkeite ad Infinitum unternehmerische Risiken des Anleger-Immobilienkaufs ab.
Damit schafft der Staat ein vermögungspolitisches Perpetuum mobile für Kapitalanleger und weltweite Kapital- und Pensionsfonds, das letztlich mit schlechteren Lebenschancen der Mieter und staatlichen Subventionen (aus Sozialetats) bezahlt und betrieben wird – und Stadtgesellschaften zerstört.
Die Abwälzung der Grundsteuer auf Mieter sorgt praktisch dafür, dass Eltern und Alleinerziehende der unteren Einkommensgruppen vom Markt der Eigenkapitalbildung für den Eigenheimerwerb systematich und verfassungswidrig ausgeschlossen werden. Obendrein handelt es sich um eine „einkommensunabhängige Besteuerung“, die vor allem Geringverdiener besonders trifft.
Bei Grundsicherungsempfängern bezahlt sich der Staat die auf Mietnebenkosten umgelegten Grundsteuern praktisch vorn der linken in die rechte Tasche.
Richtig ist es, die Neuregelung zur Entlastung der unteren Einkommen zu nutzen, und eine Eigenkapital-Bildung zu erleichtern.