Mittwoch, 30. April 2025
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Was tun gegen Ungerechtigkeit im Bildungssystem?

Bürgerrat Bildung und Lernen

Der „Bürgerrat Bildung und Lernen“ hat seine Vorschläge für eine gerechte Bildung veröffentlicht. Die offizielle Übergabe erfolgte am 10. Juli an die Präsidentin der Kultusministerkonferenz Katharina Günther-Wünsch (CDU).

In Berlin und in drei weiteren Bundesländern gibt es diese Woche Zeugnisse. Bevor es in die Sommerferien geht, werden die Leistungen der Kinder und Jugendlichen obligatorisch noch einmal bewertet. Nicht für alle ist das ein Grund zur Freude. Doch wäre es unter den gegebenen Umständen nicht fair, auch dem Schuljahr selbst ein Zeugnis auszustellen? Das fragt der bundesweit aktive Bürgerrat Bildung und Lernen, der in Berlin seine „Vorschläge für eine gerechte Bildung“ veröffentlicht hat.

Lehrkräftemangel fehlende Chancengleichheit belasten Kinder

Der gravierende Lehrkräftemangel im ganzen Land und die Folgen der Corona-Pandemie sind eine systemische Belastung für Schulen und vor allem für Kinder. Studien belegen, dass diese Probleme vor allem denen zusetzen, die in ihrem Alltag ohnehin mit schwierigen Bedingungen zu kämpfen haben:

Kinder, die in Familien mit wenig Geld aufwachsen und die in Sachen Bildung von zuhause quasi keine Förderung zu erwarten haben. Von der oft beschworenen Chancengleichheit haben sie in ihrem Leben noch nichts mitbekommen. Und eine Besserung ist nicht in Sicht. Im Gegenteil. Nachweislich geht die soziale Schere bei der Bildung immer weiter auseinander.

Bürgerrat Bildung und Lernen hat 15 Empfehlungen erarbeitet

Katharina Roos, Organisationsentwicklerin und Mitglied im Bürgerrat Bildung und Lernen richtet ihren Blick auf die Schulpolitik.
„Da frage ich mich, welche Note hat eigentlich die Schulpolitik in Sachen Chancengleichheit verdient?“,

Katharina Roos wurde für den Bürgerrat Bildung und Lernen nach dem Zufallsprinzip ausgewählt. Genauso wie die rund 300 Menschen aus allen Teilen der Republik, mit denen sie in den letzten 12 Monaten viel und kontrovers über das Thema Chancengleichheit diskutiert hat.

Gemeinsam haben sie Ideen entwickelt, wie es besser laufen könnte. Das Ergebnis ihrer gemeinsamen Arbeit trägt den Titel „K/eine Chance – Vorschläge für eine gerechte Bildung.“.
Das neue Programm mit insgesamt 15 Empfehlungen wurde offiziell an die Kultusministerkonferenz (KMK) übergeben. Der Termin mit der KMK-Präsidentin und Berliner Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch fand in der Gretel-Bergmann-Gemeinschaftsschule in Berlin-Marzahn statt.

Neuer Impuls für die Kultusministerkonferenz

Katharina Günther-Wünsch, die bereits mehrfach im Austausch mit Bürgerbotschafterinnen und Jugendbotschafterinnen des Bürgerrats Bildung und Lernen war, versprach, die Diskussion über das neue Programm auch im Kreis der KMK fortzuführen. „Die Perspektiven der Bürgerinnen und Bürger zum Thema Chancengerechtigkeit bieten gute Anknüpfungspunkte für das Schwerpunktthema Ganztag im Rahmen meiner KMK-Präsidentschaft.“

Von der Kita bis zur Berufsbildung

Bei seiner Arbeit an den Empfehlungen hat sich der Bürgerrat Bildung und Lernen auf drei Bereiche konzentriert. Einig war sich das Gremium, dass insbesondere benachteiligte Kinder schon früh und individuell gefördert werden müssen. Aus Sicht der Bürgerinnen und Bürger sollte es eine Offensive für frühkindliche Bildung mit mehr Kita-Plätzen, mehr Fachkräften und mit kleineren Kindergruppen geben. Sehr große Zustimmung erfuhr der Vorschlag, eine verbindliche Förderung der Sprachkompetenz in Kindertagesstätten sicherzustellen. Eine Ausweitung des Fachpersonals sei insbesondere auch an den allgemeinbildenden Schulen dringend erforderlich. Um Chancengleichheit zu ermöglichen, muss aus Sicht des Bürgerrats eine kontinuierliche Betreuung durch multiprofessionelle, vielseitige Teams sichergestellt sein.

Längeres gemeinsames Lernen

Viel diskutiert wurde im Gremium darüber, dass Kinder in der Schule länger gemeinsam lernen sollten. Aktuell ist der Regelfall, dass sie nach der 4. Klasse eine weiterführende Schule besuchen (in Berlin findet dieser Wechsel nach der 6. Klasse statt). Eine klare Mehrheit von 62% im Bürgerrat sprach sich dafür aus, dass Kinder und Jugendliche künftig in der Regel wie in anderen Ländern bis zur Jahrgangstufe 10 gemeinsam lernen können – bei individueller Förderung sowohl für die leistungsstarken und leistungsschwächeren Schülerinnen und Schüler.

„Chancengerechtigkeit bedeutet, dass jeder Einzelne sein maximales Lernpotenzial erreichen kann, und dafür ist die Individualisierung des Lernens ist von großer Bedeutung“, sagte der Bürgerrat Dieter Schulz, 69 aus Bad Zwischenahn in Niedersachsen. „Jeder Mensch hat individuelle Vorlieben, aber auch Abneigungen, sowie Stärken und Schwächen.“ Es sei unerlässlich, diese Aspekte in der Bildung uneingeschränkt zu berücksichtigen, sagt der ehemalige Personalentwickler in der IT. Es ist an der Zeit, uns von einem reinen Lehransatz hin zu einem „lernerzentrierten Ansatz“ zu bewegen.

Chancengleichheit ist Voraussetzung für Bildungsgerechtigkeit

Chancengleichheit in der Bildung sollte sicherstellen, dass alle Kinder und Jugendlichen die Chance auf eine guten Schulabschluss haben und so später ihren Wunschberuf anstreben können, ganz gleich, wo sie in Deutschland zur Schule gegangen sind und ob sich die Eltern diese Berufsausbildung ihres Kindes auch leisten können.

Moaz Krenba, der vor sieben Jahren mit seiner Familie nach Deutschland kam, berichtete von seinen ganz persönlichen Erfahrungen während der Schulzeit: „Ein guter Schulabschluss war für mich mit einem ständigen Kämpfen verbunden. An mich und meine Potenziale hat im System Schule niemand geglaubt. Ich war von innen heraus hochmotiviert, habe mit Youtube-Videos Deutsch gepaukt und nur so konnte ich in den anderen Fächern Anschluss finden.“

Über den Bürgerrat Bildung und Lernen

Der Bürgerrat Bildung und Lernen ist der größte unabhängige Bürgerrat in Deutschland. Seit 2020 haben bereits 700 Menschen, die nach dem Losprinzip ausgewählt wurden, an den Sitzungen des Bürgerrats teilgenommen. Auch Kinder und Jugendliche unter 16 Jahren arbeiten beim Bürgerrat aktiv mit. Organisiert und finanziert wird das Gremium von der unabhängigen und gemeinnützigen Montag Stiftung Denkwerkstatt in Bonn.

Alle Vorschläge des Bürgerrats für eine gerechte Bildung sind auf der Homepage veröffentlicht: www.buergerrat-bildung-lernen.de .


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