Von Michael Springer
Vor der Europawahl wurde ein Beitrag veröffentlicht, der einen Vorschlag für ein „Parteien-Audit“ entwickelt hat, mit dem wahlberechtigte Bürger die Qualität, rechtliche und strukturelle Integrität von Parteien selbst überprüfen können.
Der Begriff „Parteien-Audit“ ist ein aus der Qualitätssicherung entlehnter Begriff: die Qualität von Parteien, Parteiorganisationen und ihrer Politik soll methodisch überprüft werden. Ziel ist es, im alltäglichen Streit um Meinungen, Maßnahmen und Ziele, in der Demokratie für mehr Rationalität, für mehr Aufklärung und nützliches Entscheidungshandeln — und für volkswirtschaftlich sinnvolles Handeln zu sorgen.
Mit einem Parteien-Audit können Parteien und Parteiorganisationen anhand klar nachvollziehbarer Kriterien bewertet werden. Anhand von Programmen, Aussagen, Reden und Beschluss-Papieren sowie weiteren publizierter Informationen aus sozialen Netzwerken und Presse-Medien lässt sich ein Gesamtbild ableiten.
Fatales Gesamtbild und Zustand von Demokratie & Wirtschaft
Bei der Bearbeitung der eingegangenen Hinweise und recherchierten Erkenntnisse hat sich leider ein fatales Gesamtbild ergeben:
- Keine der im Deutschen Bundestag vertretenen Parteien ist in einem integren „rechtskonformen und grundgesetzkonformen Allgemeinzustand.“
- Gemessen am Amtseid und gemessen an guter volkswirtschaftlicher Praxis und Regierungskunst nach OECD-Maßstäben, ist keine der im Bundestag vertretenen Parteien ausreichend kompetent im Regierungshandeln.
- Gemessen an den Zielen des Parteiengesetz sind lediglich CDU und CSU noch einigermaßen rechtskonform aufgestellt,. Sie nehmen den Auftrag des Parteiengesetzes zur „Mitwirkung“ an der Meinungsbildung des Volkes ernst. Die anderen Parteien sind elitäre Funktionärsorganisationen, die nur mit ausgewählten Bürgern digital kommunizieren und dabei „Top-Down-Politik“ und dirigistische Denkmodelle produzieren.
- Fachliche Eignung und Personal-Tableau sind bei vielen wichtigen Spitzenämtern unzureichend. Damit sind äußerer Einflußnahme und Lobbyismus Tür und Tor geöffnet.
- Keine der im Deutschen Bundestag vertretenen Parteien hat eine tragfähigen Vision und ein Konzept, das den wirtschaftlichen Fortbestand der Bundesrepublik Deutschland als Demokratie über das Jahr 2050 hinaus garantieren kann.
- Sicherheitspolitisch und volkswirtschaftlich sind die derzeit im Bundestag vertretenen Parteien nicht mehr „Herr der Lage.“ Sie haben die „Digitale Souveränität“ und das Primat der Politik an „digitale Dritte“, außerhalb des Landes und außerhalb der EU verloren, bzw. „über Lobbys abgetreten.“
Der wichtigste Indikator für einen umfassenden Vertrauensverlust ist dem ARD-Deutschland-Trend zu entnehmen: im 75. Jahr des Grundgesetzes gibt es „NULL-Prozent“ mit der Regierung zufriedene Bürger, unter den von infas-dimap Befragten.
Ausgewählte Einzelbewertungen über die Parteien
Die Einzelbewertungen der politischen Parteien werden noch vollständig zu einem späteren Zeitpunkt veröffentlicht. Die Missstände sind mannigfaltig und erfordern eine umfangreiche Bearbeitung. Hier werden zunächst nur aktuelle und pointierte Aussagen wiedergegeben:
- AfD: die Partei wird als rechtspopulistisch eingestuft. Solange das von Russland übergebene Strategiepapier nicht selbst veröffentlicht wird, wird die Partei auch als Sicherheitsrisiko für die Demokratie eingeschätzt. Die Europapolitik ist damit auch undurchschaubar.
- BSW: die in Gründung befindliche Partei wird als sicherheitspolitische Gefahr eingeschätzt, die hybride Denkmuster russischer Propaganda weiter trägt. Solange die Parteiführung den Ukrainekrieg nicht als „imperialistischen Völkermord-Krieg“ benennt, bestehen Zweifel an der Legitimation und Glaubwürdigkeit der Vertretung deutscher und europäischer Interessen.
- Bündnis 90/Grüne: Die Partei ist in zentralen Politikbereichen nicht ausreichend regierungsfähig. In der Klimapolitik driftet die Partei in Anforderungs- und Glaubenssysteme ab, die physikalisch und wirtschaftspolitisch sogar kontraproduktiv sind. Außenpolitisch werden das Standing und die Soft Power Deutschlands durch „feministisch-kosmetische Auftritte“ verspielt. Wirtschaftspolitisch wird die Stärke des Konzepts der sozialen-Marktwirtschaft durch einen „Mazzucato-Interventionismus“ dekonstruiert. Eine Staatsschulden- und Wertschöpfungskrise wird damit verschärft. In der Datenschutz- und Grundrechte-Politik hat die Partei ihren einstige Vorreiter-Rolle für Bürgerechte und Informationsfreiheit verspielt.
- CDU/CSU: Die Parteien haben sich auf Ebene der Direktkandidaten auf allen Ebenen (kommunal, Land und Bund) demokratisch bewährt und stabilisiert. Bayern wird „gut bis besser“ als die anderen Bundesländer regiert. Der wirtschaftspolitische Verbände-Kapitalismus verhindert allerdings die Ausprägung einer Wirtschaftspolitik „aus einem Guß.“ Die volkswirtschaftlichen Auswirkungen von Fehlsteuerungen der „Merkel-Ära“ wirken noch immer nach.
Die volkswirtschaftliche Schere zwischen Arbeit und Kapitaleinkommen wird noch immer nicht als zerstörerische Herausforderung begriffen. Ebenso wird die Armut unter Kindern nicht wirksam bekämpft. Es entsteht ein armutsbedingter Fachkräftemangel. In der Digitalisierung werden „Digitale Souveränität“ und die „Digitale Wertschöpfung“ durch Mittelstand, Kultur- und Kreativwirtschaft und Handel noch immer nicht volkswirtschaftlich und strategisch verbessert. Lichtblick: der Wegfall der 150 €-Zollfrei-Grenze in der EU für Online-Billigimporte. Die sozialpolitische Bedeutung des Lokalpresse-Sterbens und die systemische Gefahren für die Demokratie und Familienpolitik werden nicht richtig eingeschätzt. - FDP: Die Partei wird durch kleine und finanzstarke Lobbys zusammen gehalten. Die Klimapolitik wurde aufgeweicht, indem stringente CO2-Minderungsziele für den Bereich Verkehr ausgesetzt wurden. Mieter und Wohnungsbau geraten dadurch bei den Minderungszielen noch stärker unter Druck. In der Haushalts- und Finanzpolitik fehlt die notwendige systemare Kreativität, um Potentiale von EU, Bundeshaushalt, Länderhaushalten und kommunale Handlungsmöglichkeiten zu orchestrieren. Es entstehen gewaltige volkswirtschaftliche „Blindleistungen“, die besser zur Sanierung und Reinvestition umgelenkt werden müssen. Das Baurecht sollte vor allem gerechter werden, und alle Eigenkapital-Investitionen besser fördern und stützen. Share-Deals und Cum-Ex-Geschäfte und Kapitalertragssteuer sind volkswirtschaftlich schädlich.
- SPD: Die sozialdemokratische Partei hat heute die Folgen der fehlkonzipierten Agenda 2010* zu tragen, und ist zugleich Opfer einer auf digitale Kommunikation fixierten Elitenpolitik. Die Folgen kommen heute demografisch im Alltag an. Die „flaschensammelnde Mini-Rentnerin“ ist das wohl sichtbarste und inhumanste Ergebnis der Agenda 2010, die vor allem Frauen in verfassungswidriger Weise benachteiligt hat. In der Kommunalpolitik wird inzwischen die Bürgeröffentlichkeit in Berlin gemieden, stattdessen werden überschaubare „eingeladene und ausgeloste Öffentlichkeiten“ und Bürgerräte bevorzugt. Die Sozialraumorientierte Planungskoordination (SPK) tritt als steuernde Verwaltung neben die gewählten Bezirksverordnetenversammlungen und entwickelt immer mehr „Betreuungs- und Kuratierungsmöglichkeiten“, die Bürger betreuen, bevormunden und digital kuratieren. Statt freier „Bürgerbeteiligung, Empowerment und Mitwirkung“ werden „gelenkte Partizipation & Teilhabe“ vorgesteuert. Ehrenamts-Projekte und prekäre Beschäftigungsformen werden mit Millionenaufwand beim Personal und QM perpetuiert, während gleichzeitig eine Mietpreis-Explosion alle Bürger unter Druck setzt.
Die ausführlichen Parteien-Audits können Journalisten zur Verfügung gestellt werden. Eine Fortführung der Parteien-Audits© kann als demokratie-notwendige Qualitätssicherung voran getrieben werden. Der Begriff „Parteien-Audit“ ist urheberrechtlich geschützt und kann unter CC-BY SA 4.0 weiter verwendet werden.