Von Michael Springer
Die Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz und der Bezirk Mitte von Berlin haben beschlossen, das Projekt „Flaniermeile Friedrichstraße“ bis Ende Oktober 2021 fortzusetzen. Dies wurde am 22.1.2021 in einer Pressemitteilung verkündet.
Diese Entscheidung fiel nach Gesprächen mit Anrainern und Vertreter*innen der „Zivilgesellschaft“ sowie Beratungen auf Grundlage einer Auswertung bisher vorliegender Daten.
Die Friedrichstraße bleibt damit – wie bisher auf dem Abschnitt zwischen Französischer und Leipziger Straße – auch in der kommenden Saison von Frühjahr bis Herbst autofrei.
Im November 2021 startete schon eine Marketingkampagne, bei der Vertreter der Senatsverwaltung für Wirtschaft, Energie und Betriebe, der Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz sowie des Handelsverbands Berlin-Brandenburg (HBB), der Industrie- und Handelskammer Berlin (IHK), visit Berlin und die Anrainer mit dem DIE MITTE e.V. einbezogen werden.
Die Friedrichstraße bleibt damit „Transformationsraum“ für nachhaltige und klimafreundliche Mobilität. Die Inbetriebnahme der neuen U-Bahn-Linie U5 ist auch der wichtigste infrastrukturelle Baustein, um die zentrale Einkaufsstraße völlig neu zu positionieren und im urbanen Leben der Metropole zu vergegenwärtigen.
Die Fristsetzung für die Evaluierung bis zum 31. Oktober 2021 endet unglücklich vor der umsatzstarken Weihnachtszeit und wird wohl noch korrigiert werden.
Erste Erfolge der „Flaniermeile Friedrichstraße“
Die Umnutzung des Straßenraumes ist ein Bruch mit der bisherigen Stadtgestalt des „Steinernen Berlin“ und der „autogerechten Stadt“.
Die Digitalisierung und die verbreitete Nutzung von Smartphones haben auch die Kultur- und Verhaltensformen von „Flanieren und Einkaufen“ verändert.
Es macht natürlich große Unterschiede, ob Kunden mit dem Luxussportwagen vorfahren und repräsentieren können, oder ob sie mit der U5 und mit dem Fahrrad und Lastenfahrrad auf Einkaufs- und Erlebnistour gehen.
Die Spaziergangswissenschaften versuchen die veränderten Dispositionen der Menschen in der Stadt erst im Ansatz zu verstehen.
Handel und Marketing müssen sich mit neuen aufkommenden Kundenwünschen erst verständigen — ein komplexer Transformations- und Lernprozeß hat in der Friedrichstraße begonnen.
Erste Erfolge sind die gläsernen Showcases, in denen Kollektionen und Sets gezeigt werden, die zum stationären Shop oder Flagship-Shop verweisen, oder auch als 360°-Präsentation eines Online-Shops inspirieren. Antje Osterburg vom Planungsbüro „backoffice“ konnte eine positive Nachfrage von Händlern verzeichnen. Die Zahl von bisher fünf Showcases soll in jedem Fall vermehrt werden. Schon im Frühjahr werden es mindestens 10 Showcases sein.
Die eilig und sehr provisorisch eingerichteten Straßenbäume wurden gut angenommen. 65 Paten haben sich schon interessiert. Und mit mehr Planung und Pflege dürfte auch die Chance für qualitativ und ästhetisch höherwertiges Stadtgrün wachsen.
Die „Safety-Lane“ hat das Verhältnis von Fußgängern und Radfahrenden neu definiert. Das Verhalten und die gegenseitige Rücksichtnahme müssen noch neu gelernt werden.
Die Anlieferung für die Geschäfte hat bislang gut geklappt, wenn es auch noch Detailprobleme in den Seitenstraßen hinsichtlich neuer Verkehrsschilder und Markierungen gibt.
Auswirkungen der Corona-Pandemie
Die Regeln zum Infektionsschutz und die Lockdowns haben das gesamte öffentliche Leben ausgebremst. Auch im gesamten Jahr 2021 wird es noch Auswirkungen und neue Regeln geben.
Die urbanen und kommerziellen Potentiale der Friedrichstraße können sich daher noch nicht frei entfalten. Vor allem fehlt „Planungssicherheit“, die im Handel immer erste Voraussetzung für sichere Investitionen ist.
Solange sich die Pandemie weiter auswirkt, bleiben in der Friedrichstraße alle tragfähigen Kunden-Frequenzen aus.
Leere Büros und der Trend zum Home-Office senken auch die alltäglichen Kauf-Umsätze der Arbeits- und Büropendler. An eine Wiederbelebung des Städtetourismus ist derzeit noch nicht zu denken.
Eine Neubelebung als „Einkaufs- und Flaniermeile“ mit großen Investitionen ist derzeit noch nicht in Sicht.
Es hängt daher viel von der erfolgreichen Überwindung der Pandemie ab.
Die von Bürgermeister Stephan von Dassel signalisierte Unterstützung für die Modebranche ist nur ein kleiner Baustein. Ob die Friedrichstraße wieder zur Modestraße Nr. 1 in Berlin wird, steht noch in den Sternen.
In jedem Fall ist in Berlin schon heute der eCommerce-Modehandel sehr dominant — und Neupositionierungen und Markterfolge werden im digitalen Raum entschieden.