Von Michael Springer
„Wie kann der Übergang in eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft inklusiv, sozial, freiheitlich, offen und intelligent gestaltet werden?“ — Diese Frage bewegt die deutsche Politik und Wirtschaft — und die verhandlungsführenden Kreise in den Parteien SPD, Bündnis 90/Grüne und FDP.
Gesucht wird nach vernünftigen, wegweisenden Lösungen, wie der Ausstoß von Kohlendioxid eingepreist werden kann, ohne die Volkswirtschaft durch eine überbordende Umweltbürokratie zu lähmen, und ohne dabei ungerechte Ver-teilungswirkungen auszulösen.
Steigt man tiefer in die Problematik ein, so wird deutlich: die soziale Marktwirtschaft und das heutige Steuersystem müssen umgebaut werden.
Ziel des Umbaus: ist die Internalisierung von Umweltverbrauch und Nutzung von natürlichen Ressourcen — und der Wandel zu einer nachhaltigen ökologischen Kreislaufwirtschaft.
Die ökologische Kreislaufwirtschaftwirtschaft soll künftig mit den vorhandenen Umwelt-Ressourcen auskommen, und selbst zur Erneuerung der natürlichen Ressourcen beitragen. Um wirtschaftliche Entfaltungsfreiheit, Innovation, Wohlstand und sozialen Ausgleich zu gewährleisten, ist ein offenes, selbststeuerndes volkswirtschaftliches System sozialer und digital-arbeitsteiliger Marktwirtschaft notwendig. Es setzt alle Akteure selbst in die Verantwortung: Bürger, Unternehmen, Institutionen und staatliche Organe und Verfassungsorgane.
Was bedeutet das: Kreislaufwirtschaft? — Ziel künftiger betriebswirtschaftlicher und volkswirtschaftlicher Entwicklung wird die »blau-grüne Null«. — Investitionen werden bejaht – „Umwelt-Schulden“ nicht!
Ordnungspolitisch muss dazu ein offener, vielfältiger und mannigfaltiger Gestaltungsraum geschaffen werden, der Attraktoren, Anreize und monetäre Gewinne dynamisch lassen wachsen kann! — Preise und Anreizsysteme und eigenverantwortlich nutzbare Alternativen zur CO2-Kompensation – statt Grenzwerte und staatliche Lenkungsabgaben.
»Blau-grüne Null« als individueller, betriebswirtschaftlicher, volkswirtschaftlicher und weltwirtschaftlicher Maßstab
Die »blau-grüne Null« bedeutet, die Umweltkosten der jeweils lebenden Generationen mit dem vorhersehbaren Umweltverbrauch abzugleichen, und zugleich Vorsorge für die nachwachsenden Generationen von Menschen, Tieren, Organismen und Pflanzen in der Biosphäre zu schaffen.
Die Umweltwissenschaften, Naturwissenschaften und Klimawissenschaften können heute Aktiva und Passiva von Umweltbilanzen und Ressourcenbilanzen relativ gut erfassen und bemessen. Mit digitalen Technologien wie Blockchain und Echtzeit-Sensorik können heute dynamische Ressourcenbilanzen geführt, überwacht und bepreist werden. Auch die Technologien zur Lieferketten-Überwachung ermöglichen dynamische Bilanzierungen von Umweltbelastungen.
Ökonomie und Umweltökonomie haben dagegen noch Nachholbedarf, weil die heutigen modernen Technologien, Wertschöpfungsketten und Geschäftsmodelle und Netzwerk- und Plattformökonomien analytisch kaum noch verstanden und durchdrungen werden können. Der technische Wandel ist zu schnell und dynamisch, Alternativen und Kombinationen können praktisch nicht umweltökonomisch und volkswirtschaftlich erfaßt werden.
Spiegelbildlich zu Umweltwissenschaften, Naturwissenschaften und Klimawissenschaften müssten ökonomische Wissenschaften künftig die Aktiva und Passiva des Umweltverbrauchs und der Umweltverbesserung durch alle Produkte, Dienste und Technologien genau bemessen und bilanzieren können.
Dazu müssen Ressourcenverbrauch, CO2-Ausstoß, CO2-Bindung und Naturgüter und der sogenannte ökologische Fußabdruck bei jedem Produkt und jeder Dienstleistung als Stückkosten, als Prozesskosten ermittelt und über den gesamten Lebenszyklus bilanziert werden. Eine Aufgabe, die nur die Produzenten und wirtschaftlichen Akteure selbst erfüllen können, wenn sie geeignete gesetzliche und methodische Vorgaben und Werkzeuge an die Hand bekommen.
CO2-Ausstoß — CO2-Preis und »Blau-grüne Null«
Politiker in Berlin zerbrechen sich derzeit die Köpfe und diskutieren verschiedene Modelle von CO2-Preisen.
Grenzwerte, Richtwerte und Maximalwerte von CO2-Emissionen und mögliche Messwerte für Kompensationen und CO2-Bindung verleiten zu „politiksprachlichen Modellen“ und „bürokratischen Kontroll-Illusionen“, die viele Nöte und Ungerechtigkeiten auslösen können.
Die Suche nach ökonomischen UND ökologischen Modellen ist daher gefragt, die sich möglichdt rechtskonform in das ordnungspolitische Modell soziale Marktwirtschaft einfügen lassen. Gleichzeitig sollen Intelligenz, Kreativität und neue Innovationskräfte und nachhaltige Investitionen in allen Wirtschaftsbereichen gefördert und freigesetzt werden .
Direkte CO2-Preise sind eine Lösung. Der Zertifikatehandel lohnt aber erst bei ökonomischen Skalengrößen von Großunternehmen und Großemittenten. CO2-Kompensationsprojekte wachsen mit diesen Skalengrößen mit – und lassen Bürgerinnen und Bürger und kleine Unternehmen mit gravierenden und sozial ungerechten Belastungen durch hohe CO2-Preise allein.
- Mieter mit Kohleöfen haben z.B. keine Möglichkeit, hohe CO2-Preise durch Investitionen abzuwenden,
- Vermieter müssen ordnungspolitisch zu Investitionen veranlaßt werden, weil höhere CO2-Preise als Betriebskosten auf Mieten umlegbar sind.
- Der normale mittlere Energieverbrauch für Heizwärme in der mitteleuropäischen Klimazone muss durch Grundfreibeträge beim CO2-Preis sozial gerecht bemessen werden, weil sonst Abwanderung gefördert wird.
Die Gefahren des bisherigen Systems müssen gebannt werden: Zertifikatehandel führt zu weiteren wirtschaftlichen Konzentrationen im Markt, und führt im ungünstigen Fall zu Fehlallokationen, Wettbewerbsverzerrungen und zur Ausbildung einer CO2-Blase bei Preisen und Investitionsvorhaben.
Andererseits ist es nicht sonderlich innovativ, Bürgerinnen und Bürgern einerseits höhere verbrauchsabhängige CO-Preise zuzumuten, um ihnen im Gegenzug feste Ausgleichszahlungem zu versprechen.
Die »blau-grüne Null«: Inklusive soziale Marktwirtschaft, soziale und technische und finanzielle Synergien zum CO2-Ausgleich mobilisieren
Volkswirtschaftlich bilden CO2-Vermeidung, CO2-Ausgleich, Naturschutz- und Umweltentlastung eine eigenständige Sphäre, mit vielen möglichen Leistungsbereichen. Immanente und eigenständige Anreizsystemen für wirtschaftliches Engagement und für unternehmerisches Handeln sind hier zum Greifen nah. Arbeit, wirtschaftliches Handeln und gemeinschaftliches Investieren in Nachhaltigkeitszwecke, in kommunale und soziale Synergie-Ökonomien und in klimaneutrale Innovationen und Prozessinnovationen können über Geldausgleich und Belohnung, aber auch über CO2-Gutschriften motiviert und mobilisiert werden.
Der Weg in die nachhaltige, umweltschonenden CO2-Kreislaufwirtschaft kann nach ähnlichen Prinzipien organisiert werden.
Eine neue Forderung wird Bürgerpflicht: jeder Bürger und jeder Marktteilnehmer muss für seine eigene »blau-grüne Null« sorgen, und einen Ausgleich für eigene und unvermeidbare CO2-Emissionen schaffen. Ist keine direkte Kompensation oder Vermeidung möglich, müssen direkte Kompensationszahlungen geleistet werden.
Die Basis für derartige neue Regeln sind Preiswahrheit und Preisklarheit — das Preisrecht!
Noch bevor der Staat durch Abschreibungen, Steuerregeln, Investitionsförderung und flankierende Subventionen tätig wird, muss zuerst der CO2-Preis im allgemeinen Preisrecht verankert werden.
Es ist eine Lösung, die schon einmal einen der Grundsteine für das deutsche Wirtschaftswunder bildete — die im Kern bis heute nur wenig verändert noch immer in Kraft ist:
Vorbild ist die in den Gründungsjahren der Bundesrepublik entwickelte Verordnung PR Nr 30/53 über die Preise bei öffentlichen Aufträgen, die Selbstkostenpreise, Selbstkostenfestpreise und Selbstkostenrichtpreise und Selbstkostenerstattungspreise regelt und als Vorbild für den Einstieg in ein „Öko-Preisrecht“ dienen kann.
Preiswahrheit, Preisklarheit Umweltverbrauch und Nachhaltigkeit hängen eng zusammen — die »blau-grüne Null« startet die „Circle Economy“
Ein neues „Öko-Preisrecht“ sollte einfach, frei kalkulierbar und transparent nachvollziehbar sein. Eine neue »Verordnung Pr Öko 2020« sollte zuerst Preiswahrheit und Preisklarheit für einen gültigen CO2-Preis schaffen. Jeder wirtschaftliche Akteur sollte dazu die verbundenen Kosten und Messgrößen seiner wirtschaftlichen Tätigkeit über Stückkosten und umsatzbezogene Gesamtkosten ermitteln — und zusammen mit dem Wirtschaftsprüfer deklarieren.
Nach der »Verordnung Pr Öko 2020« sind CO2-Emissionen Grundkosten in jedem öffentlich angebotenen Produkt auszuweisen und auf einen gültigen CO2-Preis für Herstellung, Nutzungszyklus und Verwertungszyklus umzulegen.
Ein Produkt, das heute 100 € kostet, und 0,1 to CO2-Emissionen verursacht, verursacht eine „CO2-Schuld“ beim Verkäufer von 4 €, die durch Eigenleistung und Kompensation, oder durch Investition ausgeglichen werden kann.
Sind die gültigen CO2-Grundkosten (Emissionen) ermittelt, können diese innerhalb der Umsatzsteuer als Kenngröße ausgewiesen und mit Kompensationszahlungen und CO2-Gutschriften direkt verrechnet werden.
Der Bürger und Verbraucher zahlt bereits mit der Mehrwertsteuer seine CO2-Kosten, und kann diese künftig in der Preisauszeichnung nachlesen. Gutschriften können durch bewußtes Einkaufen und durch eigene freiwillige oder auch bezahlten Mitarbeit in CO2-Projekten erarbeitet werden.
Ist die »blau-grüne Null« als Maßstab für Umwelt- und CO2-Kosten über das Preisrecht eingeführt, können Bürger, Wirtschaft und Staat sich auf das Wesentlich konzentrieren: die Förderung von CO2-Minimierung, CO2-Kompensation und Innovationsprojekte. Staatliche Regeln und Verordnungen können danach gültige Regelungsbereich definieren (z.B: Denkmalschutz, graue Energie) und Umrechnungs- und Gutschrift-Regeln bemessen und anpassen.