Dienstag, 19. März 2024
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Three Seas Virtual Summit 2020 in Tallin

Tallin

Historischer Exkurs
Międzymorze – Zwischenmeer – so nannte sich das vom polnischen Marschall Józef Piłsudski nach dem Ersten Weltkrieg konzipierte politische Großprojekt einer Konföderation der Staaten in dem Raum zwischen den beiden Meeren Schwarzes Meer und Ostsee.
Piłsudskis Vision zielte auf Wiederherstellung der Polnisch-Litauischen Union, der Rzeczpospolita, die bis Ende des 18. Jahrhunderts bestand.
Diese sollte zuerst die Zweite Polnische Republik, die Ukraine, sowie Weißrussland und Litauen umfassen. Später wurden auch Rumänien, Ungarn, Jugoslawien, die Tschechoslowakei und die anderen beiden baltischen Staaten (Lettland und Estland) sowie Finnland eingeladen. Dahinter stand der strategische Gedanke, einen Staatenbund in Ostmitteleuropa zu schaffen, der sich sowohl gegenüber der Sowjetunion als auch gegenüber dem Deutschen Reich behaupten könnte.

Rund 100 Jahre später, wurde die alte Idee im vereinigten Europa auf Initiative von Polen und Kroatien 2016 als „Drei-Meere-Initiative“ neu ins Leben gerufen. Die Adria kam als drittes Meer hinzu. Die Interessenlagen haben sich innerhalb der Europäischen Union neu formiert.

Im Fokus steht die Zusammenarbeit mittel- und osteuropäischer Staaten in den Bereichen der Energiewirtschaft sowie der Infrastruktur.

Auf ihrer ersten Konferenz in Dubrovnik verständigten sich 12 Staaten der Region zu verstärkter Zusammenarbeit. Kernprojekte beinhalten den Bau von Flüssiggas-Terminals in Kroatien und Polen inklusive einer Pipeline sowie die Via Carpathia, eine Straße, die Litauen mit der Ägais verbinden soll. Der zweite Kongress der Initiative fand am 6.–7. Juli 2017 in Warschau unter Teilnahme von US-Präsident Donald Trump statt.
Die „Drei-Meere-Initiative“ wächst neben der „Visegrád-Gruppe“ (Polen, Tchechien, Slowakei und Ungarn) zu einem zweiten Binnenbündnis innerhalb der Europäischen Union heran, das geopolitische und realpolitische Interessen der kleinen ostmitteleuropäischen Staaten verbindet.

Ziele der Drei-Meere-Initiative
Die auf Präsidentenebene ins Leben gerufene Plattform dient zur Ankurbelung der Wirtschaft in Mittel- und Osteuropa. Die gesamte Region zeichnet sich einerseits durch ein starke Entwicklungspotenziale und schnell wachsende Volkswirtschaften und andererseits durch den Ballast jahrelanger Unterinvestitionen in die Infrastruktur aus.

Die Beseitigung des heutigen Defizits von 1,16 Billionen Euro an Investitionen in die Infrastruktur würde der Region einen enormen Auftrieb geben und Europa als Ganzes stärker und geeinter machen.
Eine effizientere grenzüberschreitende Zusammenarbeit wird angestrebt. Wirtschaftswachstum und Sicherheit sollen durch die Entwicklung von Energie-, Verkehrs- und digitalen Infrastrukturen gestärkt werden.
Die Drei Meere Initiative ist auch zu einem Projekt geworden, das die transatlantischen Beziehungen zwischen den USA und Europa stärkt.

12 mittel- und osteuropäische Nationen arbeiten zusammen
Historische Erfahrungen, kulturellen und religiösen Hintergründe und gemeinsame Erfahrungen in Europa, lassen die 12 Nationen enger zusammenrücken. Die Folgen des Eisernen Vorhangs, der Europa in zwei Teile spaltete, dabei das Wirtschaftswachstum und die internationale Einheit in der Region erstickte, müssen anders als in Westeuropa erst noch überwunden werden.
Während die Nationen Westeuropas durch Straßen und Eisenbahnen, Stromleitungen sowie Öl- und Gaspipelines miteinander verbunden sind, sind die Länder Mittel- und Osteuropas in Bezug auf die moderne Infrastruktur vergleichsweise wenig miteinander verbunden. Besonders akut ist das Defizit entlang der Nord-Süd-Achse der Region.

Dritter Gipfel der „Drei-Meere-Initiative“ in Tallin 2020
Dritter Gipfel der „Drei-Meere-Initiative“ in Tallin 2020

Dritter Drei-Meer-Gipfel in Tallin am 19.Oktober 2020
Tallinn wird am 19. Oktober Gastgeber des virtuellen Drei-Meer-Gipfels und des Web-Forums sein, das mit einer Debatte zwischen den Staatschefs eröffnet wird. Das Treffen wird Präsentationen und Diskussionen über die Finanzierung internationaler Infrastrukturprojekte beinhalten und Lösungen für die Digitalisierung des Energie- und Transportsektors anbieten. Estland wird als erste digitale Gesellschaft der Welt die Vision der intelligenten Konnektivität präsentieren, die zur Unterstützung der Entwicklung der Drei-Meeres-Region geschaffen wurde.

Die Veranstaltung wird live online übertragen und von Gideon Rachman, dem Chefkommentator für auswärtige Angelegenheiten der Financial Times, moderiert:

Es gibt drei Schwerpunktbereiche:

  • Erstens, die Zukunft und die Rolle der Initiative bei der Förderung des Wirtschaftswachstums und der Energiesicherheit der Teilnehmerstaaten;
  • zweitens, die Finanzierung internationaler Projekte in den Bereichen Energie, Verkehr und digitale Infrastruktur in der Drei-Meeres-Region;
  • drittens, die Skizzierung der Vision der intelligenten Konnektivität.

Die Vision der intelligenten Konnektivität stellt einen zusätzlichen Beitrag Estlands dar, der dazu beitragen soll, Wege für eine effektivere Nutzung der Infrastruktur zu finden.

Wirtschaftliche Bedeutung in der EU
111 Millionen Menschen leben in den 12 EU-Ländern der Drei-Meeres-Länder, die fast ein Drittel der Europäischen Union ausmachen.
12 EU-Mitgliedstaaten zwischen Ostsee, Schwarzem und Adriatischem Meer sind an der Drei-Meeres-Initiative beteiligt:
Österreich, Bulgarien, Kroatien, die Tschechische Republik, Estland, Ungarn, Lettland, Litauen, Polen, Rumänien, die Slowakei und Slowenien.

Die wichtigsten Partner sind Deutschland, die Europäische Union und die Vereinigten Staaten. China hat mit seiner „Belts-and-Roads“-Strategie mehr als nur einen Fuß in der Tür. Rußland ist bedrohlicher Nachbar, der die sicherheitspolitische Zusammenarbeit der 12 Länder notwendig macht.

Im Jahr 2018 lag das durchschnittliche Pro-Kopf-BIP nur bei etwa 78% des EU-Durchschnitts. Gleichzeitig betrug Wirtschaftswachstum in den 12 Ländern von 2015-2019 im Durchschnitt 3,5% gegenüber 2,1% in der Europäischen Union.
Das Ziel des „Three Seas Digital Summit“ ist es, die Aktivitäten der Initiative zu fokussieren und ihre Ziele zu verdeutlichen. Lag bisher ein Großteil der Aufmerksamkeit in der Initiative auf Verkehrs- und Energiefragen, so wird sich die Veranstaltung in Tallinn besonders auf die Digitalisierung und intelligente Vernetzung konzentrieren.

Weitere Informationen:
3seas.eu

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