Donnerstag, 28. März 2024
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Das Parteien-Audit: so kann Politikqualität überprüft werden!

Reformzeit: Politikqualität wird untersucht!

Von Michael Springer

Wie können Bürger und Journalisten die Qualität von Parteipolitik, Kommunalpolitik, Landespolitik und Bundespolitik überprüfen? — Wie kann die Qualität des politischen Personals hinterfragt werden?
Dazu ist ein Blick in das Parteiengesetz notwendig, um zu verstehen, wie unsere politische Ordnung aufgebaut ist:. Hier wird das Vollzitat des § 1 PartG als Handreichung explizit vorgestellt:

Gesetz über die politischen Parteien (Parteiengesetz)
§ 1 Verfassungsrechtliche Stellung und Aufgaben der Parteien

(1) Die Parteien sind ein verfassungsrechtlich notwendiger Bestandteil der freiheitlichen demokratischen Grundordnung. Sie erfüllen mit ihrer freien, dauernden Mitwirkung an der politischen Willensbildung des Volkes eine ihnen nach dem Grundgesetz obliegende und von ihm verbürgte öffentliche Aufgabe.

(2) Die Parteien wirken an der Bildung des politischen Willens des Volkes auf allen Gebieten des öffentlichen Lebens mit, indem sie insbesondere auf die Gestaltung der öffentlichen Meinung Einfluss nehmen, die politische Bildung anregen und vertiefen, die aktive Teilnahme der Bürger am politischen Leben fördern, zur Übernahme öffentlicher Verantwortung befähigte Bürger heranbilden, sich durch Aufstellung von Bewerbern an den Wahlen in Bund, Ländern und Gemeinden beteiligen, auf die politische Entwicklung in Parlament und Regierung Einfluss nehmen, die von ihnen erarbeiteten politischen Ziele in den Prozess der staatlichen Willensbildung einführen und für eine ständige lebendige Verbindung zwischen dem Volk und den Staatsorganen sorgen.

(3) Die Parteien legen ihre Ziele in politischen Programmen nieder.

(4) Die Parteien verwenden ihre Mittel ausschließlich für die ihnen nach dem Grundgesetz und diesem Gesetz obliegenden Aufgaben.

Parteien-Audit – zuerst ein Realitätstest

In der Medien- und Digital-Gesellschaft sieht die Realität der politischen Tätigkeit etwas anders aus, als von den verfassungsrechtlichen Urhebern des Parteiengesetzes bis zum 24. Juli 1967 bedacht werden konnte. An diesem Tag trat das Parteiengesetz in Kraft. — Heute weit verbreitete Innovationen in den Medien- und Internet-Technologien haben alle Begriffe und Regeln und auch Organisationsformen beeinflusst und verändert — einschließlich der Parteien.

Bürger — Deutsche im Sinne des Art. 116 Abs. 1 GG — wie sieht es mit Zuwandernden aus?
Willensbildung des Volkes — wie wirken Parteien heute an der Willensbildung mit?
Lebendige Verbindung zwischen Volk und Staatsorganen — wie halten Parteien diese heute in Gang?

Der Realitätstest ist eine ständige Aufgabe — bei der zuerst auch geprüft werden muss, wer eigentlich im Sinne der Verfassung der Souverän und Träger von Rechten, Bürgerrechten ist! — Hat sich das Verhältnis der „Mitwirkung an der Willensbildung“ zwischen Bürger und Parteien etwa verändert? — Versuchen Parteien heute umgekehrt, unter Nutzung von Medien und Internetmedien, die Bürger zu betreuen und informell und ideologisch zu führen?

Politische Parteien: Langjährige personelle Schrumpfung

Die Demokratie könnte bei diesem „Großversuch“ zum Kippen bringen; denn in den heutigen Parteien sind nur noch etwa 1,7% der Bürger (über 16 Jahre Parteieintrittsalter) organisiert.

So stellt sich auch die besondere Frage: „Wie kann eine so komplexe Metropole wie Berlin mit 12 Bezirken von so wenigen Menschen überhaupt noch überblickt und politisch geführt werden?“ — Liegt hier auch eine prinzipielle Krisenursache vor, weil Parteien gar nicht mehr über einen hinreichenden Erkenntnisapparat verfügen, und ihre bewährten und stabilen Kompromissfähigkeiten einbüßen?

Erwachsen in der alltäglichen Handlungsnot, als Reaktion auf Komplexität und fehlende Erkenntnisse, gar autokratische, klandestine und selbstherrliche Führungskulturen in den Parteien heran? — Gibt es auch eine gefährliche Selbstüberschätzung, fehlende ordnungspolitische Selbstkontrolle und intellektuelle Überforderung der Akteure in den politischen Parteien?

Ist Berlin eine „Failed-City“, weil nur ganz wenige Politiker auf Twitter, in Sozialen Medien und Talk-Shows völlig verzerrte Abbilder und ideologische Imaginationen der politischen Realität simulieren und in der öffentlichen Wahrnehmung „einpflanzen“?

Wer sich die heutige Twitter-Analyse des TAGESSPIEGEL anschaut, kann nur staunen und begreifen, wie eine ganz kleine Personenzahl ohne Checks und Balances die Richtlinien der Politik „top-down“ bestimmt!


Parteien-Audit — Parteieigenschaft & Gliederung

Zum Zeitpunkt des Inkrafttreten des Parteiengesetz am 24. Juli 1967 gab es noch ein anderes Verhältnis von Bürger und Öffentlichkeit. Seriöse Amtsblätter, gedruckte Lokalzeitungen und Rundfunk und TV konstituierten eine allgemeine Öffentlichkeit von allgemeinpolitischen Informationen. Die Bürger wurden noch mit „Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger“ angeredet und in politische Belange einbezogen.

Es war die Zeit der Volksparteien und auch der Großdemonstrationen — zugleich auch ein Ära großer Beweglichkeit in der gemeindlichen und kommunalen Selbstverwaltung in Gemeinden, Städten und Landkreisen. Dort wurde die auf Sitz, Präsenz und Stimme der repräsentativen Demokratie aufgebaut. Und: praktisch standen immer kompetente Beamten und Fachbeamten hilfreich zur Seite.

Das Parteiengesetz war von dem Prinzip der repräsentativen Demokratie in „Gebietsverbänden“ geprägt, in denen politische Willensbildung beginnt und von Unten nach Oben auf die jeweils nächst höhere Ebene übertragen wird („Bottom-up-Prinzip“). Die Parteieigenschaft und die Attraktivität der Mitgliedschaft in den Volksparteien gründete sich auf diesen Prinzipien, weil (fast) jeder mitwirken und mitreden konnte.

Im §7 PartG heißt es unter dem Begriff Gliederung:

(1) Die Parteien gliedern sich in Gebietsverbände. Größe und Umfang der Gebietsverbände werden durch die Satzung festgelegt. Die gebietliche Gliederung muss so weit ausgebaut sein, dass den einzelnen Mitgliedern eine angemessene Mitwirkung an der Willensbildung der Partei möglich ist. Beschränkt sich die Organisation einer Partei auf das Gebiet eines Stadtstaates, braucht sie keine Gebietsverbände zu bilden; sie ist Partei im Sinne dieses Gesetzes. Organisatorische Zusammenschlüsse mehrerer Gebietsverbände, die den verbandsmäßigen Aufbau der Parteiorganisation nicht wesentlich beeinträchtigen, sind zulässig.

(2) Soweit in einer Partei Landesverbände nicht bestehen, gelten die in diesem Gesetz für Landesverbände getroffenen Regelungen für die der Partei folgenden nächstniedrigen Gebietsverbände.

Das Parteien-Audit
Das Parteien-Audit – ein Methoden-Konzept für intelligente und sozial engagierte Stadtbürger – Foto: Pixabay

Parteien-Audit — Digitalisierung,Virtualisierung & soziale Medien

Unter dem Einfluss rasanter digitaler Innovationen haben sich seit 35 Jahren die Bedingungen für die politische Kommunikation zwischen Bürger und Parteien grundlegend verändert.

Die gute alte Ortsgruppe, mit Stammtisch und Hinterzimmer-Gesprächen, zugelassener und fallweise unerwünschter Öffentlichkeit, funktioniert heute nur noch schlecht, weil sich jede Person elektronisch „verduften“ und trotzdem irgendwie mitbestimmen kann.

Die auf das Prinzip „Gebietsverband“ gegründete Mitgliederorganisation mit (Vereins) Satzung verändert sich und entgrenzt sich. — Distanzkommunikation über soziale Netzwerke und Mailverteiler ermöglicht gebietsübergreifende Analysen, Dialoge, Diskurse und Entscheidungsfindungen.

Plötzlich werden Kommunal- und Gebietsreformen möglich, lokale Strukturen können überraschend ausgehebelt, überstimmt und überwunden werden. Aus Volksparteien mit „Bodenhaftung“ werden nun schrittweise virtualisierte und zentralisierte Parteiorganisationen. Diese könne neue Politik ganz Oben definieren, und nach „Top-Down-Prinzipien“ umorganisieren und durchsetzen. Der Bürger wird plötzlich zum Objekt der Politik, obwohl im Grundgesetz etwas völlig anders aufgelegt und intendiert ist!

Parteien verändern sich unter dem Einfluss digitaler und sozialer Medien radikal:

  • an die Stelle des gesprochenen, gehörten und auf gemeinsamer Erfahrung verhandelten Wortes und des zugehörigen Protokolls treten Entgrenzungs- und Virtualisierungseffekte ein.
  • das rhetorisch gestylte Wort der Redenschreiber und politische Kommunikationsdesigner und Think Tanks erobert plötzlich die Politik und die politische Rede. Aus direkten Zusagen und Versprechen werden plötzlich vage Worte und Beteuerungen.
  • Eine Akademisierung der Parteizentralen setzte ein, die sich vom verhandelbaren Erfahrungswissen und von bewiesener Kompetenz entfernen kann.
  • Die berufliche Zusammensetzung der Parlamente verändert sich in Richtung auf „sprechende Berufe.“ Handelnde und entscheidende Berufe werden zur Minderheit.
  • Ordnungspolitisches Denken wird durch Politologie und Kommunikations-Wissenschaften nach und nach abgedrängt. Talkshow-Sätze und Twitter-Postings mit Gesprächs-Fetzen-Denken werden zur neuen politischen Praxis.
  • Überspitzt: Volksparteien der repräsentativen Demokratie mit lokaler Bindung im Gebietsverband, haben sich in entgrenzt kommunizierende „Facebook-, Instagram- und Twitterorganisationen“ verwandelt. Das Denken in Diskursen wird nach und nach aus der Öffentlichkeit verdrängt.
  • Am Ende ist die Attraktivität der Volksparteien entschwunden, Mitgliederzahlen sinken. Es gibt kaum noch lokale Präsenz, stattdessen geschlossene Social-Media-Gruppen. Der Bürger wird hilflos, weil nicht mehr in alle Aktivitäten und Ergebnisse hineingeschaut werden kann!

Verhältnis Staat/Bürger steht inzwischen auf dem Kopf!

Das Verhältnis Bürger/Partei hat sich umgedreht! Aus dem mündigen und verantwortlichen Bürger wird ein „politisch, informell und kommunikativ Betreuter Bürger“, dem mit Worten aufgetragen wird, was Politik und richtiges Verhalten ist!

Weder Journalisten noch Bürger können derart virtualisierte Parteien weder direkt kontrollieren, noch korrigieren oder verbessern! — Die innere Kommunikative Abschottung und Virtualisierung der Parteien sorgt auch für die Verbreitung von Irrglauben! Narrative (Erzählungen), ablenkende und überredende und programmatischen Kofferworten werden verbreitet. — Das Wort „sozial“ wird z.B. oft nur als Label gebraucht, um etwa „bezahlbare Mieten“ zu definieren . Das Label-Wort „Klima“ wird mitten im Dürrejahr für „klimaresiliente Bäume“ missbraucht!

Mit den Prinzipien der „Offenen Redaktionellen Gesellschaft“ wird dem unkontrollierbaren Treiben der Parteien unter den vielen Deckmänteln der „Digitalisierung“ substanzieller Widerstand entgegen gesetzt!

Bewusst wählen ist der erste Schritt! — Viele weitere Schritte müssen allgemeinöffentlich erfolgen!

Indem Presseöffentlichkeit und Bürgeröffentlichkeiten zusammen gelegt werden, entstehen viele neue soziale, finanzielle und technische Synergien! Öffentliche Innovationen werden Realität!

Mit der Abschaffung der Abo-Paywalls wird auch der Bildungskatastrophe und dem Zerfall der Familien entgegen gewirkt! — Bitte machen Sie bei dieser sanften Revolution mit! Wissen, Klarheit und Orientierung müssen hart erarbeitet werden. Sie fördern aber Wohlstand und wirken beruhigend im Chaos!


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