Von Michael Springer
Der CO2-Fußabdruck wird als wichtiger Maßstab für Nachhaltigkeit betrachtet und wird heute bei vielen Produktbewertungen und Öko-Kennzeichnungen eingesetzt. Allerdings wird mit dem CO2-Fußabdruck auch „Lobbyarbeit“ betrieben, denn die Methoden zur Berechnung des CO2-Fußabdrucks sind bisher nicht normiert, und vor allem in all ihren Parametern sehr vielfältig und komplex!
Der internationale Fußabdruck der weltweiten Milchproduktion (IFEU 2014, FAO 2010) wird so als Referenz herangezogen, um die Nachhaltigkeit von Milchprodukten in Frage zu stellen. Alternative Produkte, etwa aus Hafermilch, werden so als die „bessere Alternativen“ dargestellt.
Nach steter Wiederholung prägt sich dieser ungünstige Wert von ca. 2,4 kg Kohlendioxid-Äquivalent je Kilogramm Milch (CO2äq/kg Milch) ein, und wird nicht weiter in Frage gestellt.
Forschung arbeitet an Methoden zur CO2-Bilanzierung
Inzwischen werden staatliche Maßnahmen zur Landwirtschaftspolitik mit CO2-Bilanzierungen verhandelt und die gesamte EU-Politik des „Green Deals“ wird danach ausgerichtet.
Doch wieviel CO2 wird tatsächlich bei der neuen „farm-to-fork“-Strategie in der Wertschöpfungskette emittiert?
Das „Johann Heinrich von Thünen-Institut — Bundesforschungsinstitut für Ländliche Räume, Wald und Fischerei“ spürt den großen Fragen zur Nachhaltigkeit in der Landwirtschaft im Auftrag der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) nach. Entwickelt wurde das „QM-Nachhaltigkeitsmodul Milch,“ das ein branchenbezogenes Konzept zur nachhaltigen Entwicklung der Milcherzeugung in Deutschland für registrierte Erzeuger umsetzt.
Das „Nachhaltigkeitsmodul Milch“ baut auf zwei Vorläuferprojekten in Niedersachsen und Schleswig-Holstein auf, und dient als Basistool für eine erste Abbildung von Nachhaltigkeitsaspekten in der Milcherzeugung. Damit ist ein Instrument für einen kontinuierlichen Lern- und Entwicklungsprozess entstanden. Mit der Branchenlösung „QM-Nachhaltigkeitsmodul Milch 2.0“ soll das Projekt 2022 und 2023 fortgesetzt werden und soll künftig verläßliche Standards der Milchproduktion sichern.
Zugleich soll es Fakten liefern, um gegenüber Marktpartnern und und Gesellschaft auskunftsfähig zu sein, „wo man in Sachen Nachhaltigkeit steht“ und wie sich der Nachhaltigkeitsstatus entwickelt.
Aktuell sorgen die enorme Verteuerung von Energie und die langanhaltende Dürre dafür, das in jeder landwirtschaftlichen Produktionskette noch genauer nachgerechnet wird. Branchenweit werden derzeit
umfassende Erhebungen zum CO2-Fußabdruck in der Milcherzeugung durchgeführt.
Milchwirtschaft arbeitet weitgehend nachhaltig
Im DIALOG MILCH äußert sich Frank Feuerriegel, Geschäftsführer der Landesvereinigung der Milchwirtschaft Niedersachsen e.V. zum Faktencheck zum CO2-Fußabdruck für Milch:
„Wir können bereits sagen, dass der Fußabdruck hier erheblich geringer ist – wir sprechen von weniger als der Hälfte des weltweiten Durchschnitts. Zudem sind die Methan-Emissionen in der Landwirtschaft zwischen 2000 und 2020 um fast 12 Prozent zurückgegangen (Thünen Report 91), während die Erzeugung von Milch um 17 Prozent gesteigert wurde. Und: Ernährungswissenschaftler empfehlen aktuell, Lebensmittelgruppen nicht auf Basis ihrer CO2-Emissionen bezogen auf Gewicht und Volumen zu vergleichen. Sie schlagen vor, den Beitrag zur Nährstoffversorgung zu berücksichtigen, also die Nährstoffdichte und -verfügbarkeit eines Produktes miteinzubeziehen. Diese Herangehensweise zeigt: Pro Kilogramm Nährstoff hat Kuhmilch im Vergleich zu Soja-, Hafer- und Mandeldrinks eine viel bessere CO2-Bilanz als erwartet.“
Wasserverbrauch je Liter Kuhmilch — auch hier Korrekturbedarf
Auch bei Angaben zum Wasserverbrauch muss offenbar auch genauer hingeschaut werden. Dazu sagt
Feuerriegel: „Es gibt Zahlen, die behaupten, dass 628 Liter Wasser pro Liter Kuhmilch benötigt werden. Das entspricht nicht der Realität. Laut einer Studie der Technischen Universität Berlin werden ca. 100 Liter Wasser pro Liter Kuhmilch benötigt, dies ist ein realistischerer Wert. Selbst wenn die Kühe mit einem großen Anteil an Mais und Soja versorgt würden, kommt man „nur“ auf bis zu 400 Liter Wasser. Zudem sollten wir zwischen grünem und blauem Wasser unterscheiden.“
Feuerriegel betont auch einen sehr bedeutsamen Unterschied, der die Herkunft des Wassers betrifft:
„Grünes Wasser ist das Regenwasser, welches im Boden gespeichert ist. Als blaues Wasser wird die Menge an Wasser bezeichnet, die zur künstlichen Bewässerung oder zur Herstellung von Produkten benutzt wird. Dieses „blaue Wasser“ wird Bächen, Flüssen, Seen etc. oder dem Grundwasser entnommen und stört das Ökosystem. Entscheidender als die Gesamtliterzahl ist also der Anteil des grünen Wassers. Und dieser ist bei regionalen Milchprodukten sehr hoch.“
Wie hoch der Wasserverbrauch tatsächlich ist, hängt von sehr vielen Faktoren ab, die den Boden, die Viehhaltung und die Produktionskette betreffen. Ökobilanzen einzelner Molkereiprodukte zum Wasserverbrauch sind zudem klima- und wetterabhängig. Die Dürrejahre und heißen Sommer haben den Faktor Wasser knapp werden lassen.
In der Milchviehhaltung muss daher künftig nicht nur Energie, sondern auch Wasser gespart werden.
In jedem Fall müssen die Daten zum Wasserverbrauch bei Google, Statista und beim Weltfriedensdienst überprüft, genauer gefasst und korrigiert werden!
Weitere Informationen:
Landesvereinigung der Milchwirtschaft Niedersachsen e.V. | www.dialog-milch.de
Die Internetseite www.milchland.de ist z.Zt. offline