Die Berliner Wasserbetriebe müssen sich mit einem unterterirdischen Umweltproblem auseinandersetzen, das immer mehr Sorgen macht. Es hat mit dem Hygienestreben der modernen Großstadtbewohner zu tun: Corona-Vorsorge, Bequemlichkeit und häusliche Putzaktivitäten sorgen für einen höheren Verbrauch an WC-Papier, Küchentüchern und Vlies-Tüchern zu tun. Besonders Küchentücher sind schon allgegenwärtig. Geworben wird mit ihren Eigenschaften: saugstark und reißfest sollen sie sein.
Moderner Putztrend – störend für die Abwassertechnik
Die modernen Putztücher für den Haushalt sind bequem und billig. Sie werden auch leicht ersetzt – leider wandern viele davon kurzerhand und sorglos im Klo. Einfach spülen – und weg! Dazu kommen die einst als Luxus gewohnten Klo-Feucht-Papiere für den sensiblen Po, die inzwischen von immer mehr WC-Besuchern benutzt werden.
Nach Gebrauch landen auch diese Klo-Feucht-Papiere gewohnheitsmässig in der Toilette. Doch sie können gefährliche Verstopfungen auslösen. Hightech-Tücher, Küchentücher und Klo-Feucht-Papiere stoppen manchmal schon wenige Meter hinter der „Schüssel“ den Abwasserstrom.
Anders als zellulosebasierte Toilettenpapiere lösen sich Klo-Feucht-Papiere und Vliestücher nicht im Abwasserstrom auf. Stattdessen „schleichen“ sie am Grund von Abwasserleitungen entlang, bis sie irgendwo hängen bleiben, sich sammeln, und den Abwasserstrom zum Erliegen bringen.
Schwerarbeit für Installateure und Abwasserentsorger
Installateure und Abwasserentsorger schwitzen. Denn die unkaputtbaren Lappen verstopfen Rohre in der Kanalisation und in den Rechenanlagen der Klärwerke. Oder sie verwinden sich im Abwasserstrom zu oberschenkeldicken Zöpfen, vor denen selbst PS-starke Pumpwerke kapitulieren.
Der Entstörungsdienst der Berliner Wasserbetriebe muss dann ausrücken, um blockierte Pumpen und Rechenanlagen wieder flott zu machen. Sowohl für die Wasserbetriebe als auch für Hausbewohner ist das eine teure und oft sehr schmutzige Angelegenheit, wenn Abwasser und Fäkalien ins Haus zurückströmen. Die Berliner Wasserbetriebe wenden jährlich einen Millionbetrag für die Verstopfungsbeseitigung in Kanälen, Pump- und Klärwerken auf.
Das WC ist kein Müllschlucker
„Ein Klosett ist keine Mülltonne“, so warnen alle Abwasserentsorger. Nur menschliche Ausscheidungen, Klo-Papier und Wasser gehören in den Abfluss, alles andere ist Abfall und kein Abwasser – gehört also in die Mülltonne.
Stefan Natz, Pressesprecher der Berliner Wasserbetriebe mahnte schon im Frühjahr 2015: „Tücher im WC sind ganz und gar nicht okay – Feucht-Textil verstopft und verzopft und gehört daher in den Müll!“
Forscher ändern Strömungen und machen Pumpen scharf und intelligent
Die Berliner Wasserbetriebe haben das Problem schon lange im Blick und rüsten seit 2015 technisch auf, um den „textilen Pumpenwürgern“ beizukommen. In einem Forschungsprojekte mit Fluidsystemdynamikern der TU Berlin werden Strömungen in Kanälen und Saugräumen von Pumpen optimiert, umd Ablagerungen im Abwasserstrom zu vermeiden.
Pumpen mit Hackmessern werden erprobt, sowie Sensoren, die Blockaden schon im Ansatz erkennen und ann automatisch mit Laufumkehr oder heftigem Drehzahlwechsel Pumpeninfarkte abwehren können.
Sorglosigkeit von Mietern kann teuer werden
Rohrverstopfungen in Abwasserleitungen von Wohnhäusern können schnell teure Folgen haben. Abwasserleitungen sind zwar Bestandteil der Mietsache, aber der Vermieter ist nur verpflichtet, die Leitungen außerhalb der Mietsache zu überwachen.
Wird ein Abwasserrohr durch Vliese und Feuchttücher verstopft, kann im Reparaturfall schnell festgestellt werden, ob ein „vertragsgemäßer Gebrauch der Mietsache“ vorlag.
Der moderne Installateur hat im Notfall heute auch die Möglichkeit der „Beweissicherung“ durch Rohrkamera und Digitalkamera.
Der Vermieter kann sich so im Streitfall an den Verursacher und Mieter wenden. Mieter sind übrigens auch für ihre Gäste und Besucher mit verantwortlich – und Hausratversicherungen haften bei Verschulden nur eingeschränkt.